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Kreis Gütersloh (rob). Zu einem langfristig angelegten Training mit langsamen Dauerläufen rät der Marathonexperte Herbert Steffny. Rund 150 Besucher folgten am Freitagabend Steffnys Vortrag „ Laufend in Form“, den der16-fache Deutschen Meister im Forum der AOK auf Einladung von Olaf Bartel (Olafs Laufladen) hielt.
Um es vorweg zu nehmen: Bahnbrechende Neuigkeiten hatte der 56-Jährige aus Freiburg nicht mitgebracht. Vielmehr brachte Herbert Steffny vielerlei Informationen rund ums Läufertraining auf den Punkt, würzte sie mit anschaulichen Erfahrungsberichten und belegte manch bekannte Annahme mit eigenen Untersuchungsergebnissen. „Wir haben ihn geholt, weil er authentisch rüberkommt“, unterstrich Olaf Bartel, warum er Steffny, der 1986 in Stuttgart mit 2:11:29 Stunden EM-Bronze im Marathon gewann, bereits zum dritten Mal in die Dalkestadt eingeladen hatte.

Authentisch war Herbert Steffny allemal. In Turnschuhen und Sporthemd federte der Freiburger vor seinem Publikum auf und ab. Er kam gerade vom Lauftraining mit der Ironman-Europameisterin Sandra Wallenhorst. „Ich bin nicht ihr Trainer, aber einer der wenigen, auf den sie hört“, lachte Steffny. Das Bild passt, denn er mahnt viele immer wieder zur Besonnenheit im Läufertraining. Dass ein Marathonvorhaben einen langfristigen Aufbau erfordere, verstehe sich für die meisten zwar von selbst. 12 Wochen vor dem Hermannslauf ist für viele Zuhörer nun noch ausreichend Zeit, Steffnys Ratschläge kurzfristig umzusetzen. In seinen Büchern hat Herbert Steffny 10-Wochen-Trainingspläne veröffentlicht, die auf jeweilige Zielzeiten zugeschnitten sind. Er habe da aber schon dolle Überraschungen überlebt. Ein „Klassiker“ wäre es nach wie vor, wenn ein Vier-Stunden-Läufer einen Plan auf 3:30 Stunden befolgen würde. Die Annahme „wenn ich den Trainingsplan überstehe, schaffe ich die vier Stunden locker“ sei aber falsch, so Steffny. Umfang und Intensität müssten auf das Ziel abgestimmt sein.

Tempoläufe und Bahntraining würden überschätzt, sagte Steffny.- Eine Auswertung seines eigenen Marathontrainings verdeutlichte, dass er nur 4,4 Prozent des Trainings im intensiven, dem „roten“ Bereich absolvierte. Der größte Teil – bei ihm 44 Prozent – soll laut Herbert Steffny im Dauerlauf mit einem Tempo, das pro Kilometer rund eine Minute über dem Marathontempo liegt, absolviert werden. Die Herzfrequenz sei für die Orientierung ein guter Anhaltswert, aber auch nicht mehr. Die Standardformel für den Dauerlaufpuls „180 minus Lebensalter“ sei allgemein gültig, aber es gebe Abweichler. „Ich selbst bin so ein Abweichler“, bekannte Steffny, der bei lockerem Tempo 145 statt 125 Schläge auf dem Pulsmeter verzeichnet. Die beste Tempoeinschätzung liefere daher das Wohlbefinden. Steffny: „Immer so laufen, dass Du noch schwätze kannst.“

Interessant ist Herbert Steffnys Unterscheidung von Hobby- und Wettkampfläufern. Dreimal Lauftraining pro Woche sei Hobby, ab vier Einheiten beginne dann das ambitionierte Training. Ein Trainingstag mehr pro Woche bringe enorme Fortschritte, so der Marathonexperte, der sogleich eine weitere Definition hinterherschickte. Nachgewiesen sei, dass der Gesundheitswert bei mehr als drei Laufeinheiten nicht gesteigert werde. „Wer dreimal läuft, tut genauso viel für die Gesundheit, wie der, der täglich trainiert – letztgenannter ist nur fitter und wahrscheinlich schneller.“ Die Systematik dahinter: Langsame Trainingseinheiten bilden langfristig die Muskulatur mit Kapillaren und Mitochondrien aus, nur der Dauerlauf unterhalb des Sauerstoff-Gleichgewichts steigert die Fettverbrennung.

Auch bei der Renngestaltung plädiert Herbert Steffny für eine defensive Herangehensweise. Er zeigte im Video, wie er mit einer starken zweiten Hälfte 1986 EM-Bronze holte. Steffny rechnete die Zwischenzeiten vom Marathon-Weltrekord Haile Gebrselassies in Berlin 2008 (2:03:59) vor und konnte auch die aktuellen Zwischenzeiten, die der Wunderläufer aus Äthiopien in der Nacht zuvor beim (gescheiterten) Weltrekordversuch in Dubai verzeichnete („Habe ich live im Internet verfolgt“) kommentieren. Steffny: „Haile läuft bei seinen Rekorden immer eine stärkere zweite Hälfte.“ Er selbst stellte für seine besten Marathons eine Abweichung zwischen der ersten und zweiten Hälfte von unter einem Prozent fest. Besonnene Tempogestaltung sei der Schlüssel zum Erfolg. Steffny: „Man erkennt den Spitzenläufer daran, dass der von Beginn an das Tempo auf die Sekunde trifft.“

Auch zu Ernährungsfragen und zur Ausstattung ließ sich Steffny aus. Damit war er indes schnell fertig. „Kaufen Sie vernünftige Laufschuhe und lassen sich dabei gut beraten“, lautete sein Tipp. Hinsichtlich Ernährung sei eine ausgewogene Kost ausreichend – Vollwert und Müsli sind Trumpf, so hielten es auch die Keniaten. Der Italiener Gerlindo Bordin habe sogar wenige Tage vor seinem EM-Sieg trotz 300 Wochenkilometern nicht auf den täglichen Rotwein zum Essen verzichtet, wusste Steffny eine Anekdote zu erzählen. Der wachsenden Industrie um Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpräparaten und sonstigem Allerlei zeigte der gelernte Biologe indes eine klare Abfuhr. Bei diesen Aussagen bliebe er auch, wenn ihn die Hersteller mal zu Vorträgen einlüden, sagte Steffny. Einige hätten schon mit Prämien gewunken, wenn er nur deren Namen an der richtigen Stelle nennen würde. Nicht mit Herbert Steffny: „Ich könnte dann nicht mehr unbefangen vor die Läufer treten und selbst nicht mehr in den Spiegel schauen.“

Steffnys Tipps:

„Wichtige Läufe allein machen, das steigert das Durchhaltevermögen.“

„Schwächen trainieren. Macht Gymnastik!“

„Fahrtspiel mit wechselndem Tempo ist ein gutes Training“

„Meine Grundregel lautet: One day hard, one day easy“.

“Vorfußlaufen auf Langstrecken ist Quatsch.”

Zur Person
Herbert Steffny, 56, gewann insgesamt 16 DM-Titel im Marathon und Straßenlauf, war u.a. Dritter beim New York-Marathon und holte Marathon-Bronze bei den Europameisterschaften in Stuttgart 1986. Bei der “Nacht von Borgholzhausen” erzielte Steffny, heute Trainer, Buchautor und TV-Kommentator, 1985 mit 46:32 Stunden die zweitschnellste Zeit auf dem Piumer 10-Meilen-Kurs.