Gütersloh-Isselhorst (rob). Joey Kelly kann nicht nur Stadien füllen, auch Kirchen. Über 600 Zuhörer lauschten am Montag dem Ausdauersportler, der gerade mit der Kelly-Family auf Revival durch Deutschland tourt, bei seinem Vortrag im Rahmen der Vorbereitung auf die 20. Isselhorster Nacht. Fast alle Bänke im Evangelischen Gotteshaus waren besetzt. Kelly referierte 90 Minuten lang über seine musikalische und sportliche Karriere, um am Ende seiner mit Anekdoten gespickten Ausführungen über die verschiedensten Extremevents zu einem ganz einfachen Fazit zu gelangen: „Ultrasport ist, über die Grenze gehen und nicht gesund. Aber mir macht das Spaß.“ Den Isselhorstern, insbesondere den Organisatoren um Thomas Krell und Felix Krull dürfte sein Nachsatz gefallen haben. Joey Kelly: „Es reichen auch 9,2 Kilometer!“

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Das ist die Distanz des Hauptlaufs am 30. Juni und wenn es terminlich passt, dann will auch Joey Kelly da mitlaufen. Kellys wichtigster Tipp kam ganz zum Schluss. Der einfachste Weg, sich für eine sportliche Herausforderung zu motivieren, sei sich anzumelden. „Gehen Sie heute ins Netz und melden sich an. Der Rest geht von allein“, sagte Kelly.

Er hat alle seine Events geplant und solide vorbereitet. Fast alle. Seinen ersten Triathlon im Rothsee hatte er, der später acht Ironmans in einem Jahr finishte, im Wettbewerb gegen seine Schwester Patricia angetreten. Anhand eines alten Videoausschnitts zeigte Kelly, wie er im Delphinstil losschwamm, nach 50 Metern schon Letzter war und sich nach 200 m entkräftet an die erste Boje klammerte. Dem Publikum zeigte er damit, dass sein Weg im Sport genauso begonnen hat wie in der Musik – ganz unten.

So startet sein Vortrag: Wie die 12 Kelly-Kinder in den 80er Jahren mit Vater und Mutter in Italien auf der Straße begannen Musik zu machen. „Wir haben 18 Jahre lang um unsere Existenz gekämpft“, erzählt Kelly. „Der Hut lügt nicht“ und „das Geld liegt auf der Straße“ habe der Vater Dan seine Kinder stets motiviert. Irgendwann kam der Erfolg und die Kellys, die später 20 Mio. Platten verkauften, bunkerten bald eine Million D-Mark unter Deck im alten Hausboot. Warum erzählt Kelly das? Seinem Vater sei es nie um Geld gegangen, sondern darum „frei und ohne Angst zu leben“. Dieses Motto habe er übernommen.

Der wahre Grund für Erfolg sei die Investition. „Gib mehr als Du nimmst!“ lautet sein Credo für Beruf, Familie, Sport. Ehrgeiz, den hat er. „Ich habe nie etwas gelernt, immer nur Chancen genutzt.“ Sein Vater, der nach seinem dritten Schlaganfall 2002 mit 72 Jahren viel zu früh verstorben sei, habe zu wenig in seine Fitness investiert, sagt Kelly und zieht den Schluss: „Bewegung ist die Basis für Lebensqualität im Alter“.

Seine erste Begegnung mit dem Laufen sei ein Besuch beim Essen-Marathon gewesen. „Alles Tiere hier“ habe er damals gerufen. Kurz darauf war er selbst eines: Den Ironman Roth lief er nach einem Radsturz mit Schlüsselbeinbruch zu Ende. Als er die acht Ironmans in einem Jahr auf dem Plan hatte, kam es zu Terminüberschneidungen. Roth-Ironman und ein Konzert als Vorgruppe von Mikel Jackson im Münchener Olympia-Stadion an einem Tag — das war fast zu viel des Guten. Erst 30 Sekunden vor dem Auftritt schwebte Kelly ein. Sein Bruder Patrick habe zuvor telefonisch seine vorzeitige Aufgabe verlangt, um pünktlich zu sein. Aber vier Kilometer vor dem Ziel gibt ein Joey Kelly nicht auf.

Er gibt eigentlich gar nicht auf, allenfalls erzählt von seinem Scheitern bei einem 165-km-Mauerlauf in Berlin, wo er am Zeitlimit (24 Stunden) vorbeischrammte. Die Rechnung hat er jetzt noch offen. „Aufstehen, wieder versuchen. Niederlagen gehören dazu“, sagt Kelly. Dann berichtet er, wie er bei der Wok-WM den Hackel-Schorsch bezwungen hat (einmal mit Bleigewichten, einmal mit Magnet am Körper), wie er mit Markus Lanz die 400 Kilometer zum Südpol gelaufen ist („Mit vier Mann in einem vier Quadratmeterzelt, da gibt es kein Verstecken“) und wie er bei 50 Grad durch die Sonne des Death Valley gelaufen ist.

„Raus aus der Komfortzone!“, lautet sein Motto, dass sich durch den ganzen Vortrag zieht. „Hunger ist nur eine Hysterie des Körpers“, zitiert Kelly den Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg als er erklärt, wie er die 875 km Deutschlandtour 2010 nur mit Eigenverpflegung von Bäumen und von der Straße überstand. 15 Kilo nahm er ab. „Der Spaß hat mich 19,24 Euro gekostet“. Das sei die Investition für eine Zeltplane gewesen. Demnächst will er mit seinem Sohn Luke (17), ebenfalls ein Langstreckler, ohne Geld von Berlin nach Peking laufen. Er habe keine Angst, beispielsweise durch Sibirien zu laufen. Joey Kelly: „Da, wo die Menschen am wenigsten haben, geben sie am meisten.“

Schlecht beraten ist bei ihm, wer kein Ziel definiert. Joey Kelly hatte Rainer Callmund vor einigen Jahren zu einem Halbmarathon-Debüt angeleitet. „Calli“ („Besser fett und fit, als schlank und schlaff“) verlor 35 Kilogramm, hielt das neue Gewicht aber nur kurz. Als der Fußballmanager für einen zweiten Versuch anklingelte, ließ Kelly ihn erst einmal abblitzen. Callmund hatte „nur so“ und ohne Zielvorgabe „was machen“ wollen. 600 Zuhörer in Isselhorst, die ihm stehend Applaus gaben, hatte Joey Kelly mit einer faszinierenden Zeitreise in seinen Bann gezogen. Dann sagt er, dass er Calli nicht helfen konnte: „Ich bin kein Motivationstrainer. Das Ziel setzen muss jeder selbst.“

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Zeitreise durch den Ausdauersport: Musiker und Extremsportler Joey Kelly riss mit seinem Vortrag anlässlich der 20. Isselhorster Nacht am 30. Juni nicht nur die Organisatoren Thomas Krell (l.) und Felix Krull (r.) mit, sondern vor allem viele Läufer aus der Region in seinen Bann.